Die Babyboomer müssen endlich Verantwortung für ihr Handeln übernehmen“, sagt der DIW-Chef
Die Babyboomer-Lüge: Wie Generationen-Bashing von den wahren Problemen ablenkt
Wenn Sündenböcke die Systemfehler verdecken sollen
„Die Babyboomer müssen endlich Verantwortung für ihr Handeln übernehmen“ – so oder ähnlich tönt es derzeit aus allen Medien. Der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) macht eine ganze Generation für wirtschaftliche und ökologische Probleme verantwortlich. Doch diese Generationen-Rhetorik ist nicht nur unfair – sie ist eine perfide Ablenkungsstrategie, die von den wahren Verursachern unserer Probleme ablenkt.
Die absurde Logik der Kollektivschuld
Seit wann ist es akzeptabel, Menschen aufgrund ihres Geburtsjahres zu verurteilen? Die Babyboomer-Schuldzuweisung unterstellt, dass alle zwischen 1946 und 1964 Geborenen kollektiv die gleichen Entscheidungen getroffen hätten. Diese Logik ist nicht nur diskriminierend – sie ist schlicht absurd.
Ein Arbeiter aus dem Ruhrgebiet hat andere Entscheidungen getroffen als ein Vorstandsvorsitzender. Eine Krankenschwester andere als ein Immobilienspekulant. Eine Lehrerin andere als ein Lobbyist. Individuelle Lebensumstände, soziale Herkunft und berufliche Positionen bestimmen Handlungsspielräume – nicht das Geburtsjahr.
Die Renten-Lüge: Wer hat wirklich eingezahlt?
„Die Babyboomer haben die Renten geplündert“ – dieser Vorwurf entbehrt jeder Grundlage:
- Babyboomer haben 40+ Jahre in die Rentenkasse eingezahlt – länger als jede Generation vor ihnen
- Sie haben das heutige Rentensystem aufgebaut und finanziert, nicht geplündert
- Das Umlageverfahren funktioniert: Heutige Rentner haben die Renten ihrer Eltern finanziert, so wie es das System vorsieht
- Der demografische Wandel ist kein selbstverschuldetes Problem, sondern Folge gesellschaftlicher Entwicklungen und medizinischer Fortschritte
Die echten Rentenprobleme entstehen durch:
- Niedriglohn-Politik, die zu geringen Beitragszahlungen führt
- Steuerflucht der Konzerne, die dem System Milliarden entziehen
- Politische Fehlentscheidungen bei der Rentenformel
- Digitalisierung, die gut bezahlte Arbeitsplätze vernichtet
Die Immobilien-Märchen: Wer treibt wirklich die Preise?
„Die Babyboomer haben die Immobilienpreise hochgetrieben“ – auch diese Behauptung ist falsch:
- Finanzinvestoren und internationale Konzerne kaufen massenhaft Wohnungen auf – nicht Normalbürger
- Niedrigzins-Politik der EZB hat Spekulationsblasen befeuert
- Hedge-Fonds und Immobilien-REITs betreiben systematische Preistreiberei
- Viele Babyboomer sind selbst Mieter und leiden unter explodierenden Preisen
Die Immobilienkrise entstand durch systematische Finanzmarkt-Deregulierung und institutionelle Spekulation – nicht durch das Verhalten einer Alterskohorte.
Die Umwelt-Märchen: Wer wusste was und wann?
Besonders perfide ist der Vorwurf der Umweltzerstörung. Unsere Recherche zeigt ein völlig anderes Bild:
Das Wissen war da – das Handeln wurde blockiert
- Bereits 1970 gründete Bayern das erste Umweltministerium Europas
- 1978 forderte die CDU Klimaschutz und erneuerbare Energien im Grundsatzprogramm
- Sogar Franz Josef Strauß warnte 1986 vor CO₂-Emissionen als größter Umweltgefahr
- Das Umweltbundesamt berechnete 1980 die Kosten der Luftverschmutzung auf 4 Milliarden Mark jährlich
13 Jahre Verzögerung durch Industrielobbyismus
Trotz dieses Wissens dauerte es bis 1983, bis Rauchgasentschwefelungsanlagen verpflichtend wurden. Nicht mangelndes Bewusstsein der Bürger war das Problem, sondern:
- Wirtschaftslobby, die vor „Arbeitsplatzverlusten“ warnte (die nie eintraten)
- Gekaufte Wissenschaftler, die Zweifel säten
- Industrielle Interessengruppen, die Umweltauflagen blockierten
Die Kosten der Luftreinhaltung betrugen am Ende nur einen Pfennig pro Kilowattstunde – ohne Arbeitsplatzverluste oder Betriebsverlagerungen.
Die wahren Verursacher: Folge der Spur des Geldes
Während Generationen gegeneinander ausgespielt werden, machen die echten Profiteure ungestört weiter:
Steuerflucht: Der 125-Milliarden-Euro-Skandal
- 125 Milliarden Euro gehen Deutschland jährlich durch Steuerhinterziehung verloren
- Das entspricht einem Drittel des Bundeshaushalts
- Nur 2,5 Milliarden Euro werden durch Steuerfahndung aufgedeckt – gerade mal 2% der Ausfälle
Konzern-Macht statt Generationen-Schuld
- Internationale Konzerne verschieben Gewinne in Steueroasen
- Finanzinvestoren treiben Immobilienpreise hoch
- Energiekonzerne blockierten jahrzehntelang die Energiewende
- Lobbyverbände kaufen politischen Einfluss
Das perfide Spiel: Divide et impera
Die Generationen-Rhetorik folgt einem klassischen Herrschaftsprinzip: Teile und herrsche. Solange sich verschiedene Bevölkerungsgruppen gegenseitig beschuldigen, stellen sie die Machtstrukturen nicht infrage.
Die Methode ist bekannt:
- Komplexe Systemprobleme auf einfache Sündenböcke reduzieren
- Emotionale Schuldzuweisungen statt sachliche Ursachenanalyse
- Moralische Empörung gegen Bevölkerungsgruppen statt gegen Machtstrukturen
- Ablenkung von politischen und wirtschaftlichen Verantwortlichkeiten
Das Ergebnis ist gewollt:
Während sich „Babyboomer“ und „Gen Z“ streiten, bleiben die echten Machtverhältnisse unangetastet.
Die Doppelmoral der Generationen-Ankläger
Ausgerechnet Think-Tank-Chefs und Wirtschaftsinstitute – deren Institutionen oft von denselben Konzernen finanziert werden, die Steuern hinterziehen und Umwelt zerstören – zeigen mit dem Finger auf normale Bürger.
Diese Doppelmoral ist entlarvend:
- Millionäre predigen Verzicht an Normalverdiener
- Konzernvertreter machen Rentner für Staatsschulden verantwortlich
- Lobby-Institute lenken von Steuerflucht ab, indem sie Generationenkonflikte schüren
Was wirklich getan werden müsste
Statt Generationen gegeneinander auszuspielen, sollten wir die strukturellen Ursachen angehen:
Steuergerechtigkeit durchsetzen
- Steueroasen schließen und internationale Konzerne zur Kasse bitten
- Vermögenssteuer für Superreiche einführen
- Steuerfahndung massiv ausbauen und durchsetzungsfähig machen
Spekulation eindämmen
- Finanzmarkt-Regulierung gegen Immobilienspekulation
- Leerstandsabgaben und kommunale Vorkaufsrechte
- Begrenzung von Mietpreiserhöhungen
Echte Klimapolitik
- Subventionen für fossile Energien streichen
- Konzerne zur Verantwortung ziehen, nicht Bürger
- Investitionen in erneuerbare Energien statt in Generationenkonflikte
Fazit: Schluss mit der Sündenbock-Politik
Die Babyboomer-Rhetorik ist eine Nebelkerze. Sie lenkt ab von Steuerflucht, Lobbyismus und struktureller Ungerechtigkeit. Sie spaltet die Gesellschaft, statt die echten Probleme anzugehen.
Jede Generation hat in ihren jeweiligen Umständen das Beste versucht – mit den Informationen, Möglichkeiten und Machtstrukturen ihrer Zeit. Die heutigen Probleme entstehen nicht durch das Versagen einzelner Generationen, sondern durch systemische Machtkonzentration und demokratische Defizite.
Es ist Zeit, die wahren Verursacher zur Verantwortung zu ziehen: Konzerne, die Steuern hinterziehen. Lobbyisten, die Politik kaufen. Spekulanten, die Grundbedürfnisse zur Ware machen.
Hört auf, Generationen gegeneinander auszuspielen. Fangt an, nach oben zu schauen – dorthin, wo die echte Macht sitzt.
Die größte Täuschung der Mächtigen ist es, die Ohnmächtigen davon zu überzeugen, dass andere Ohnmächtige ihre Feinde sind.