Wildes Homeoffice ist wie wild campen. Man weiß, dass es nicht in Ordnung ist. Aber wir machen es trotzdem. In der jetzigen Zeit die zum einen geprägt ist von der Angst, im Büro mit Coronaviren angesteckt zu werden und zum anderen von der fehlenden Kinderbetreuung durch die Schließung der Schulen und Kitas, kommt die Homeoffice – Variante uns doch sehr gelegen. Viele Unternehmen, die sich vor der Krise immer erfolgreich gegen diese Art der Heimarbeit gewehrt haben, stimmen jetzt freudig zu. Frei nach dem Motto: Ein bisschen Ergebnis ist immer noch besser als gar keins.

Betrachten wir die neue Heimarbeit, neudeutsch Homeoffice genannt, doch einmal von mehreren Standpunkten aus.

Der/die Arbeitnehmer/in:

Ein Traum wird wahr! Das Arbeiten von zu Hause aus. Work-Live- Balance. Haushalt, Kinder, Job, alles unter einem Dach. Morgens mit der Familie frühstücken, schnell den Haushalt „updaten“ und sich dann in Ruhe und mit viel Zeit dem Job widmen. Am Nachmittag, wenn die Kids konzentriert spielen noch eine Videokonferenz mit dem Projektteam abhalten.

Soweit die Theorie. Und die Praxis?

Das morgendliche Frühstück mit der Familie klappt noch ganz gut. Schon bei dem Updaten des Haushaltes wird’s problematisch. Die Kinder wollen beschäftigt werden. Logisch: Die Kinder können ihrem natürlichen Drang zur Bewegung, zum Spielen, zum Freunde-Treffen nicht mehr uneingeschränkt nachkommen. Jetzt fordern sie Tribut! Kinder einen ganzen Tag lang im Hause zu beschäftigen, ist eine Vollzeitbeschäftigung. Mit viel Glück und einem Lebenspartner, der die Kids für einige Stunden in Schach hält, bleibt Zeit für die wichtigen Dinge des Jobs. Den Rest verschiebt man auf den Abend, wenn die Kinder schlafen. Abends ist dann noch der Haushalt dran und die Planung für den nächsten Tag. Sich danach an den Laptop zu setzen und konzentriert zu arbeiten, verlangt eiserne Disziplin. Die Videokonferenz bleibt wohl auf der Strecke.

Die Schilderung des Alltages mag etwas drastisch sein. Aber so-, oder so ähnlich könnte es in vielen Familien ablaufen. Fassen wir zusammen:

  • Homeoffice verlangt, genau wie die Büroarbeit, nach geregelten Arbeitszeiten. Wie diese tagsüber aufgeteilt sind, ist etwas anderes.
  • Videokonferenzen sind im Homeoffice ein sehr wichtiges Informationsmittel, um nicht von der betrieblichen Situation abgekoppelt zu werden.
  • Bei dieser Art der Heimarbeit ist ein gutes Zeitmanagement zwingend erforderlich.
  • Homeoffice ist zielorientiert, nicht anwesenheitsorientiert. Es gilt, festgelegte Ziele in einer bestimmten Zeit zu erreichen.

Der/die Arbeitgeber/in:

In der Pandemiezeit ist der Arbeitgeber für die Gesundheit seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verantwortlich. Jedenfalls im Unternehmen. Wenn er gut vorgearbeitet hat, hat er einen betrieblichen Pandemieplan. Dieser ist wie eine Prozess-Beschreibung und zeigt auf, welche Maßnahmen in welcher Situation zu treffen sind. Zugegeben nur theoretisch! Wir haben alle noch nicht viel Erfahrung in Sachen Pandemie. Sehr viele Unternehmen haben sich gar nicht erst die Mühe gemacht, um einen solchen Plan zu erstellen.

Also wird ein Hygieneplan erstellt und umgesetzt. Am Mindestabstand von 1,5 Meter scheitert es dann aber gänzlich. Es wird Homeoffice eingeführt. Die Kandidaten dafür sind auch schnell gefunden. Schließlich profitieren ja alle davon. Dazu kommen noch diejenigen Mitarbeiter/-innen, die vom Chef nach Hause geschickt werden. „Frau Müller, Sie sehen aber krank aus. Fühlen Sie sich nicht gut? Gehen Sie am Besten nach Hause. Aber nehmen Sie ihr Laptop und das Betriebshandy mit“.

Super! Die Situation ist voll im Griff! Ja stimmt, bis auf die Dinge, die der Arbeitgeber in dieser neuen Situation nicht bedacht hat. Wie zum Beispiel:

  • Wie kommen die Mitarbeiter/innen an die Arbeitsaufträge, Unterlagen, Verträge, etc.
  • Wie lange soll diese Homeoffice Geschichte dauern?
  • Hat jeder Mitarbeiter/in das richtige Equipment (Rechner, Internetanbindung, Drucker, Scanner usw.)?
  • Wie stelle ich den Datenschutz sicher?
  • Wie kann ich die Arbeitszeit im Homeoffice nachweisen?
  • Wie bekomme ich den Spagat zwischen Telearbeitsplatz und Homeoffice hin?
  • Wie halte ich, gerade bei Projektarbeit, den Kontakt zu meinem Team?
  • Wie ist der Überstunden Auf – und Abbau im Homeoffice geregelt?
  • Wie ist die Arbeitsunfähigkeit im Homeoffice geregelt?

Die Aufzählung könnte ich noch um etliches weiterführen. Hätte man (Arbeitgeber) sich doch bei Zeiten Gedanken um diese Dinge gemacht. Ist diese Situation erst einmal da, ist nicht die Zeit alles sauber zu planen. Die meisten Entscheidungen werden aus dem Bauch heraus getroffen und sind damit meistens nicht sauber zu Ende gedacht.

Der Gesetzgeber:

Homeoffice ist eine „Unterform“ der Teleheimarbeit. Die Teleheimarbeit ist in der Arbeitsstättenverordnung festgeschrieben. So sagt der Gesetzgeber im §2 (7) ArbStättV: Telearbeitsplätze sind vom Arbeitgeber fest eingerichtete Bildschirmarbeitsplätze im Privatbereich der Beschäftigten, für die der Arbeitgeber eine mit den Beschäftigten vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit und die Dauer der Einrichtung festgelegt hat. Ein Telearbeitsplatz ist vom Arbeitgeber erst dann eingerichtet, wenn Arbeitgeber und Beschäftigte die Bedingungen der Telearbeit arbeitsvertraglich oder im Rahmen einer Vereinbarung festgelegt haben und die benötigte Ausstattung des Telearbeitsplatzes mit Mobiliar, Arbeitsmitteln einschließlich der Kommunikationseinrichtungen durch den Arbeitgeber oder eine von ihm beauftragte Person im Privatbereich des Beschäftigten bereitgestellt und installiert ist.

Homeoffice wurde erst nach der Novellierung der Arbeitsstättenverordnung im Jahre 2016 möglich. Bei dieser Form der Arbeit geht man von einer gelegentlichen Arbeit von zu Hause aus. Somit entfällt die Kontrolle des häuslichen Arbeitsplatzes, sowie die zugehörigen sanitären Anlagen durch den Arbeitgeber.

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die Überschreitung der Höchstarbeitszeit zu dokumentieren. Das setzt voraus, das die Arbeitszeit im Homeoffice geregelt worden ist, oder es ist die gleiche Arbeitszeit wie im Büro. Auch die Lage der Arbeitszeit sollte geregelt sein.

Was ist mit Büromaterial? Dürfen Aktenordner, Druckerpapier, Kugelschreiber usw. aus dem Büro mit in mein Homeoffice mitgenommen werden? Auch hat der Betriebsrat, wenn denn einer besteht, ein Wörtchen über die Ausgestaltung dieser Arbeit und der Arbeitsplätze mitzureden.

Die Arbeitszeit auch im Homeoffice fällt unter den Paragraphen 87 Abs1 Ziff.3, der den Beginn und das Ende der täglichen Arbeitszeit regelt. Auch ist dem Betriebsrat die Namensliste vorzulegen, wer im Homeoffice arbeitet und zu welchen Rahmenbedingungen, also Arbeitszeit, Büromittel…

Auch sind dem Betriebsrat die tatsächlich geleisteten Arbeitszeiten der Homeoffice Kolleginnen und Kollegen vorzulegen. Das Betriebsverfassungsgesetz sagt im § 80 Abs1 folgendes:

Der Betriebsrat hat folgende allgemeine Aufgaben:
1.darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durchgeführt werden;

Ich kann nur jedem Betriebsrat dringend anraten, zu dem Thema Homeoffice eine Betriebsvereinbarung abzuschließen. Alle aufgeführten Themen sollten in dieser Vereinbarung geregelt werden. Und zusätzlich noch eine „Salvatorische Klausel“ für die Themen, die wir vergessen haben zu regeln, oder neu dazu kommen. Übrigens: Das hessische Ministerium für Soziales und Integration hat eine Checkliste herausgebracht an der man sich gut orientieren kann.
Auch die Dinge, die auf den ersten Blick logisch erscheinen wie die Menge des Druckerpapieres, Anzahl der Kugelschreiber und Aktenordner. Sollte eine Situation eintreten, in der sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht mehr so sehr liebhaben, können diese einfachen Dinge ein Kündigungsgrund sein. Aus dem erforderlichen Arbeitsmaterial wird plötzlich die Unterstellung eines Diebstahls.

Ist im Unternehmen kein Betriebsrat vorhanden, so kann ich nur jedem raten, eine individuelle Regelung zum Homeoffice zu treffen, die als Anhang zum Arbeitsvertrag gilt. Alle Punkte die in der angesprochenen Betriebsvereinbarung geregelt werden, sollten auch in diesem Schreiben geregelt sein.

Zweifelsfrei kann das zeitweilige Arbeiten im Homeoffice eine gute und konstruktive Art der Arbeit sein. Sie muss aber geregelt sein! Homeoffice ist eine andere Art der Arbeit. In einer neuen Arbeitswelt, die auf die Zufriedenheit seiner Mitarbeiter/-innen setzt, wird sie unverzichtbar sein. Sie bietet viele Möglichkeiten. Von der Vereinbarkeit zwischen Beruf und Familie, der Einsparung von Zeit und Ressourcen durch den Wegfall des Arbeitsweges bis hin zum Rückzugsort in die heimische Arbeitsstätte bei nervenden Arbeitskolleg/innen. Das Homeoffice bietet die ganze Bandbreite der Möglichkeiten. Wenn sie denn geregelt ist.

Mit freundlichem Gruß

Rüdiger Kösling
Agentur Consilium